Markenaktivismus: Zwei Fliegen mit einer Klappe, oder?
Immer mehr Marken werden aktivistisch aktiv. Das heißt, sie äußern sich zu kontroversen gesellschaftlichen Themen. Oder werden gar selbst aktiv. Nike, Ben & Jerry’s, Patagonia und Co. – Beispiele gibt es mittlerweile zu Genüge. Das ist wichtig für die Gesellschaft. Doch wie sieht es aus wirtschaftlicher Perspektive aus? Lohnt sich Markenaktivismus? Oder gehen Unternehmen ein zu hohes, unkalkulierbares Risiko ein?
Es drängen sich gesellschaftliche Themen in den Vordergrund: Kriege, begrenzte Ressourcen, Klimawandel und der Kampf gegen Ungleichheiten. Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen wollen, dass Unternehmen Stellung beziehen. Trendforschungsexpertin Mirjam Hauser bringt es auf den Punkt: „Der Wettbewerb der Werte wird wichtiger als der Wettbewerb der Preise“. Insbesondere bei der Generation Z. Aktivismus ist ein Weg, wie Firmen diesen Drang nach Werten befriedigen wollen.
Markenaktivismus und CSR – das Gleiche?
Wichtig zu verstehen ist, dass Markenaktivismus und CSR nicht das gleiche sind. CSR ist längst als „Must-Have“ angesehen. So gut wie jedes Unternehmen will sich selbst als nachhaltig darstellen. Ein klassisches Beispiel für CSR ist die Verpflichtung zu den UN Sustainable Development Goals. Unternehmen wollen dadurch zeigen, dass sie der Gesellschaft etwas zurückgeben. Das ist zweifelsohne positiv. Da es mittlerweile aber mehr Standard als Alleinstellungsmerkmal ist, erzielt es aus Marketing-Perspektive weniger Effekte. Was ist bei Markenaktivismus anders?
Markenaktivismus geht weiter. Es reicht nicht, an einer sozialen Bewegung teilzunehmen. Marken müssen Schritte selbstständig und aktiv vorantreiben. Zudem behandelt Markenaktivismus eher kontroverse Themen. Sich gegen den Klimawandel auszusprechen oder eine Kapitänsbinde in Regenbogenfarben zu tragen, zählt also keineswegs dazu.
Ein spannendes Beispiel ist Ben & Jerry’s: 2018 veröffentlicht das Unternehmen als Protest gegen Donald Trumps Politik ein Verpackungsdesign mit der Aufschrift „RESIST“. Zusätzlich rufen sie auf ihren Kanälen zum Protest gegen ihn auf. Ein aktiver Schritt der Marke zu einem kontroversen Thema – eines, dass die USA wie kein zweites spaltet. Ein weiteres Praxisbeispiel ist Patagonia: Bereits 2011 sprachen sie sich entschieden gegen Fast Fashion aus und „bewarben“ ihre Jacke mit dem Slogan „don’t buy this jacket“.
Was Markenaktivismus für Unternehmen bewirkt
Zunächst sei gesagt, dass wir Unternehmen nicht unterstellen wollen, dass sie nur aus wirtschaftlichen Motiven handeln. Die positiven Effekte für eine Gesellschaft liegen auf der Hand. Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass der wirtschaftliche Aspekt eine große Rolle spielt. Mit welchem Echo kann ein Unternehmen also rechnen?
Wie oben erwähnt, ist es Konsument:innen immer wichtiger, dass Marken Werte verkörpern. Passender Markenaktivismus macht diese Werte erlebbar. Vorausgesetzt, die Konsument:innen teilen diese Werte, stärkt dies die Kundenbeziehung und -loyalität. Das führt dazu, dass Konsument:innen die Produkte mit den eigenen Werten in Verbindung bringen. So wird eine emotionale Verbindung geschaffen, die weit über Qualität und Preis hinausgeht und wesentlich stärker ist. Das Ergebnis: Umsatz. Best-Practise-Beispiel ist hier erneut Patagonia. Sie investieren nicht viel in große Werbekampagnen, sondern konzentrieren sich auf die Kommunikation der eigenen Werte. Mit Erfolg. Die gleichen Effekte gelten im Übrigen auch für Arbeitnehmende. Die Forschung deutet darauf hin, dass sie eher ein geringeres Gehalt akzeptieren würden, solang die Wertehaltung des Unternehmens zu ihnen passt.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Unternehmen gehen ein schwer kalkulierbares Risiko ein. Markenaktivismus stößt jenen, die einer anderen Meinung sind, vor den Kopf. Damit machen sich Marken verwundbar. Diese Kund:innen droht man für immer zu verlieren. Schlimmstenfalls können Boykotte oder Shitstorms folgen. In Folge von negativen Reaktionen zurückzurudern macht es noch schlimmer. Man verliert nicht nur seine Glaubwürdigkeit, sondern auch jene, die ursprünglich der gleichen Meinung waren.
Wie man es richtig macht
Authentizität ist das Keyword: Markenaktivismus ist dann gut, wenn die Marke als Beitrag zum Kampf in der Sache wahrgenommen wird. Nicht, wenn jeder erkennt, dass es sich um einen Marketing-Move handelt. Die geäußerte Meinung muss konsistent zum Unternehmensbild passen. Dabei darf sie nicht in Widerspruch zu vergangenen Unternehmensaktivitäten stehen. Werden die Bemühungen einer Marke als unauthentisch wahrgenommen, geht der Schuss mächtig nach hinten los – auch, wenn das Thema wichtig ist.
Ob sich Markenaktivismus aus wirtschaftlicher Perspektive wirklich lohnt, ist nicht eindeutig zu beantworten. Es gibt viele Beispiele, bei denen Unternehmen sehr positive Resonanz erhalten haben. Genauso gibt es Beispiele in die andere Richtung. Allerdings sind keine direkten Rückschlüsse auf Umsatz oder Gewinn möglich. Den Effekt auf wirtschaftliche Kennzahlen zu isolieren, ist kaum möglich. Es ist also schwer, eine generelle Empfehlung auszusprechen.
Bei all der Betrachtung der wirtschaftlichen Perspektive, die für uns als Agentur oft das entscheidende Kriterium ist, dürfen wir nicht vergessen: unsere Gesellschaft will Marken, die mehr Verantwortung übernehmen! Und das trägt zur Schärfung des Profils nachhaltig bei.